Eine Wanderung durch die Berliner Baugeschichte.
Es gibt zwei Städte, die die gesamte deutsche Baugeschichte repräsentieren, Berlin und Köln. Köln von der Antike bis zum Ende des Mittelalters und Berlin, das vielleicht von Köllnern mitbesiedelt wurde, von der Renaissance bis in die Gegenwart. Kein Wunder, dass die zwei bekanntesten Gebäude dort stehen: der Kölner Dom, um die Zeit seiner Gründung 1248 wird Berlin gerade zum ersten Mal aktenkundig. Und das Brandenburger Tor, mit dem Berlin Avantgarde der Weltarchitektur ist. Diese Rolle besaß Köln im Mittelalter, unvergleichlich sind die romanischen Kirchen und im Dom kulminiert die Gotik. Ebenso unvergleichlich ist der Berliner Klassizismus. Und das Bauhaus als ein wesentlicher Teil der Moderne ist, kess gesagt, eine Berliner Erfindung. Köln ist monozentrisch, der Dom ist sichtbar die Mitte und auf einem Halbkreis, der „via sacra“, kann man Kölns Romanik erwandern. Berlin ist polyzentrisch, oder, um einen neuen Titel Bob Dylans abzuwandeln, „Berlin contains multitudes“. Jeder Bezirk ist sein eigener Kosmos, und alle glauben das auch von ihrem Kiez. Berlin kann man nicht erwandern, und die Bezirke sind Großstädte. Aber man kann ihre Eigenarten entdecken, ihre Bedeutung in der Stadtentwicklung, ihre Position zu Berlins Mitte, die Spuren von Schinkel und den Modernen, um so im Kleinen ein Bild des Gesamten zu erkennen – pars pro toto.
DIE NÖRDLICHEN VORSTÄDTE, von der Volksbühne zur Charité oder „Häusermeer und Leuchtturmprojekte“
Anders als die planmäßig angelegte Friedrichstadt wuchsen die nördlichen Vorstädte ungeregelt an den Ausfallstraßen. Trotz Kriegszerstörung und einiger Plattenbauten hat sich das altertümliche Straßengewirr und vieles der älteren Bebauung erhalten und wurde nach der Wende saniert. Etwas zufällig scheinen Architektur-Einzelstücke, wie Kirche, Synagoge, Theater, Schulen, Krankenhaus, in das Gewirr eingestreut: Mal in die Straßenflucht, mal an der Ecke, in Parks, Plätzen oder im Blockinneren.
Die Wanderung beginnt am Rosa-Luxemburg-Platz mit Poelzigs Randbebauung auf einem Teil des legendären und heiklen Scheunenviertels. An der Trasse der alten Landwehr geht es zum Garnisonsfriedhof mit seiner Grabmalarchitektur. Gips- und Sophienstraße sind voller Atmosphäre, die Große Hamburger Straße war ein Schmelztiegel von Religionen und Kulturen – bis zum Wahnsinn des Faschismus. An die Höfe des
St.-Hedwig-Krankenhauses grenzt die Neue Synagoge, mit dem Postfuhramt schönster früher Historismus. Das „Tacheles“ ist in Planung und lässt hoffen, während im etwas abgeschotteten Gelände der Charité Neues entstanden ist und die palladianische Tieranatomie sich fast versteckt – das alles übrigens in Sichtweite von Schinkels Grab auf dem Dorotheenstädtischen Friedhof.