07. Februar 2024

Zum Erhalt des vom Abriss bedrohten SEZ: Offener Brief

Mit Besorgnis verfolgt die deutsche und internationale Fachwelt die Pläne der Senatsverwaltung, mit dem Sport- und Erholungszentrum (SEZ) ein weiteres denkmalwürdiges Kulturerbe der DDR-Vergangenheit abzureißen und fordert in einem offenen Brief den Erhalt des Ensembles.

Offener Brief an den Regierenden Bürgermeister Kai Wegner, an den Finanzsenator Stefan Evers, an den Senator für Kultur und gesellschaftlichen Zusammenhalt, Joe Chialo, an den Landeskonservator, Dr. Christoph Rauhut, an den Vorstandsvorsitzenden der Berliner Bäder-Betriebe Dr. Johannes Kleinsorg und an die Bezirksbürgermeisterin Clara Herrmann:

Mit Besorgnis verfolgt die deutsche und internationale Fachwelt die Pläne der Senatsverwaltung, ein weiteres denkmalwürdiges Kulturerbe der DDR-Vergangenheit abzureißen. Bei allem Respekt vor der Vielzahl an Zwängen und Abwägungen, denen sich eine wachsende Stadt stellen muss, stellt sich die Frage nach der Unausweichlichkeit der Zerstörung von einem Meisterwerk der berlinspezifischen „Organischen Architektur“ und des weltweit wiederentdeckten sogenannten „Brutalismus“. Beide Strömungen sind längst europäische Architekturgeschichte geworden und das SEZ besitzt in diesem Sinne, entsprechend dem Berliner Denkmalschutzgesetz und nach dem einhelligen Urteil der Fachleute, nach Eigenschaft und Bedeutung zweifellos den Status eines Denkmals, auch wenn die förmliche Eintragung in die Denkmalliste (nachrichtliches Listenverfahren) noch bevorsteht.

Als langjährige ExpertInnen für die Erforschung und Vermittlung der modernen Architektur und engagierte VorkämpferInnen für den Schutz des jüngsten Architekturerbes appellieren wir an alle Verantwortlichen, diese nicht nur für die Geschichte der Architektur, für Architekturfreunde und -touristen, sondern auch für die Kultur- und Stadtgeschichte sowie für die lokale Identität unverzichtbare Ikone der Nachkriegsepoche zu erhalten. Sie ist ein Dokument einer durch Kreativität, Experimentierfreudigkeit und ausdrucksstarke Formgebung gekennzeichneten Phase der Architekturentwicklung, die die besonderen Funktionen der Bauten anschaulich vermitteln.

Das Sport- und Erholungszentrum (SEZ) wurde 1981 von der Aufbauleitung Sondervorhaben Berlin unter Leitung von Erhardt Gißke fertiggestellt. Beteiligte Planer unter seiner Leitung waren u.a. Bernd Fundel, Klaus Tröger und Otto Patzelt. Maßgeblich zum Entwurf hatte auch Günter Reiß beitragen, der zu diesem Zeitpunkt als Architekt im Westen bei Hochtief arbeitete. Er war in der DDR ausgebildet worden und flüchtete 1972 nach West-Berlin. Das SEZ war zu DDR-Zeiten ein öffentliches Vorzeigeprojekt der Partei- und Staatsführung, aber mit seinem interessanten Sport- und Freizeitangebot, sowie der modernen und offenen Architektur tatsächlich auch ein Publikumsmagnet.

Architektur bildet die Basis städtischer Identität. Angesichts der zerstörerischen Geschichte des 20. Jahrhunderts sind es gerade in Berlin die Leistungen des Wiederaufbaus in West wie Ost, die die Stadt prägen und als lebendige Dokumente die Hoffnungen und (natürlich nicht immer eingelösten) Glücksversprechen der jüngeren Zeitgeschichte erlebbar machen. In den letzten Jahren sind viele der lange diskreditierten Bauzeugnisse der Nachkriegsmoderne erforscht, in Wert gesetzt und in einigen Fällen vorbildlich saniert worden (beispielsweise das Berliner Congress Center am Alexanderplatz, das Studentendorf Schlachtensee, die Nebenbauten der Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche, die Karl-Marx-Allee, das Hansaviertel, das Corbusierhaus, der Umlauftank 2 der Technischen Universität am Landwehrkanal, oder – im Modellverfahren – der sog. Mäusebunker). Was wäre Berlin ohne sie? Ihre Erfolgsgeschichten können beispielgebend auch für die Zukunftsentwicklung des SEZ sein.

Wir appellieren an Sie als Verantwortliche, den beiden mittlerweile von mehreren tausend Personen unterzeichneten Petitionen zu folgen und jetzt, da das Ensemble wieder in das Eigentum Berlins zurückgefallen ist, Wege der Bewahrung, Sanierung, nachhaltigen Ertüchtigung und behutsamen baulichen Ergänzung auf dem Grundstück zu suchen. Sie können versichert sein, dass Sie auf großen Zuspruch und engagierte Unterstützung seitens der kulturellen Fachwelt bei dieser schwierigen Aufgabe zählen können.

Petitionen:
> Rettet das SEZ
> Das SEZ sanieren und als Sport- und Freizeitfläche für alle wiederöffnen!

 

Mit freundlichen Grüßen

Dr. h.c. Kristin Feireiss, Direktorin Aedes Architekturforum, Berlin
Prof. em. Dr. Adrian von Buttlar, Institut für Kunstwissenschaft und Historische Urbanistik, Technische Universität Berlin
Dipl.-Ing. Theresa Keilhacker, Präsidentin der Architektenkammer Berlin