Es war bereits in der Presse zu lesen: Aufgrund von Fehlern im Auswahlverfahren wurde der nichtoffene Wettbewerb für den Umbau und die Erweiterung der Komischen Oper gestoppt. Die Sanierung und Erweiterung der Komischen Oper, unweit des Brandenburger Tors gelegen, ist eines des wichtigsten städtebaulichen und kulturpolitischen Bauvorhaben der Hauptstadt in den nächsten Jahren. Die Kulturverwaltung als Bauherrin führt dieses Verfahren gemeinsam mit der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung durch, beteiligt ist selbstverständlich auch der Nutzer, die Komische Oper selbst. Nachdem zunächst eine Verhandlungsverfahren mit Lösungsansätzen für die Außenfassade geplant war, konnte, unter anderem auch durch die Fürsprache der Architektenkammer Berlin, die Senatsverwaltung von einem 2-phasigen, städtebaulich-hochbaulichen Planungswettbewerb für ein Gesamtkonzept überzeugt werden. Der Empfehlung, einen offenen Wettbewerb durchzuführen, wie er in den Koalitionsvereinbarungen des regierenden Senates selbst als Vorzugsverfahren für alle wichtigen Berliner Bauvorhaben ausdrücklich formuliert wird, wurde jedoch von Senatsseite, insbesondere von der Bauverwaltung, nicht gefolgt.
Der Planungswettbewerb ist das erprobte und optimale Mittel im Rahmen von Planungsaufträgen, unter anderem auch weil die Entscheidung der Jury bei der Preisverteilung im Vergleich zu Entscheidungen in normalen Vergabeverfahren wesentlich gerichtsfester ist. Zudem hat man nach Vorliegen des Ergebnisses nicht nur die Architektinnen und Architekten ausgewählt, sondern bereits einen Entwurf vorliegen, der mit vielen Beteiligten abgestimmt und konsensfähig ist. Mit Risiko behaftet ist ein Wettbewerb besonders dann, wenn er nicht für alle interessierten Teilnehmenden offen zugänglich ist, sondern die Teilnahme durch eine Vorauswahl beschränkt wird. Denn eine Klage und eine Nachprüfung bei der Vergabekammer ist zulässig, wenn in einem EU-weit ausgelobten Vergabeverfahren Fehler, beispielsweise bei der Prüfung und transparenten Bewertung der vorliegenden Eignungsnachweise und Referenzen der Bewerber behauptet werden. In diesem Fall hatte ein ausgeschlossener Bewerber gerügt und vor der Berliner Vergabekammer Recht bekommen.
Nach Auffassung der Vergabekammer (AZ: VK-B2 12/19) reicht es nicht wie in anderen Fällen, die Bewerbung des zu Unrecht ausgeschlossenen Teilnehmenden erneut zu prüfen und eine Nachfrist zu geben, damit das Büro noch eine Wettbewerbsarbeit nachreichen kann. Diesen Fall gab es beispielsweise beim Gasteig in München. Hier in Berlin wurde dem Auslober jedoch aufgegeben, sämtliche notwendigen Verfahrensschritte zu wiederholen, einschließlich einer Korrektur der Bekanntmachung. Der Senat ging jedoch mittlerweile einen Schritt weiter und hat das Verfahren gänzlich aufgehoben. Diese weitergehehende Entscheidung des Senats wurde nun offenbar von mehreren Beteiligten gerügt, zumal die Aufhebung wenige Tage vor Ende der Abgabefrist für die Wettbewerbsbeiträge erfolgte; deshalb machen die rügenden Beteiligten, soweit bekannt, auch Aufwendungsersatzansprüche geltend. Gleichwohl ist nicht damit zu rechnen, dass der Senat die Aufhebung wieder zurücknimmt, denn schließlich wurde diese bereits öffentlich bekannt gegeben und in der Presse verkündet.
Unabhängig davon wie es ausgeht: Der ganze Vorgang ist bislang einmalig und wirft viele Fragen auf, die derzeit noch gar nicht überschaubar sind. Was passiert in einem solchen Fall mit der verlorenen Zeit? Arbeitskraft und Geld wurde in 50 Wettbewerbsbeiträge gesteckt, was ist mit dem Urheberrecht? Wie werden die Teilnehmenden entschädigt, deren Entwürfe bereits fertig durchgearbeitet sind? Und wer muss für den Schaden aufkommen? Fragen über Fragen, die nun Stück für Stück abgearbeitet werden müssen. Die Architektenkammer wird sowohl mit den betroffenen Planungsbüros als auch mit weiteren Beteiligten versuchen, nach Lösungen im Interesse des Berufsstandes und des Wettbewerbswesens zu suchen, wobei hier auch die Baukammer wegen der vielen beteiligten Ingenieurbüros angesprochen ist. Über allem steht jedoch die Frage: Wie können bei einem so hochkarätigen Verfahren, bei dem allen Verantwortlichen die Klageanfälligkeit europäischer Vergabeverfahren und insbesondere der von vielen kritisch gesehenen Vorauswahlverfahren bekannt sein sollen, solche formalen Fehler passieren? Die Architektenkammer hatte in den Abstimmungen auf die Intransparenz hingewiesen. Vor allem: Warum wurde die Auslobung an die Teilnehmenden versendet, nachdem der Anwalt des rügenden Architekturbüros bereits die Verfahrensfehler aufgezeigt hatte? Die Teilnehmenden sowie die Architektenkammer wurden bis zum Zeitpunkt des Abbruchs nicht über das im Hintergrund laufende Nachprüfungsverfahren informiert.
Welche Lehren können wir aus diesem Fall für die Zukunft ziehen: Falsch und anfällig war nicht der Wettbewerb selbst, sondern die vom Auslober gewünschte Kombination von gesetzten Teilnehmenden und per Bewerbungsverfahren ausgewählten Teilnehmenden. Es wird viel Zeit und Energie brauchen, den entstandenen Vertrauensschaden wieder gut zu machen. Offene Wettbewerbe sind das rechtssicherste, transparenteste und gerechteste Verfahren, um zu einem guten Ergebnis zu kommen. Alle haben die Möglichkeit sich zu beteiligen; und die Anonymität und eine mehrheitlich vom Auslobenden unabhängige Jury garantieren, dass der beste Entwurf zum Sieger gekürt wird. Es wird unsere gemeinsame Aufgabe sein, dies in der allgemeinen Öffentlichkeit verständlich dazustellen und damit zu einer Öffnung und Verbesserung des Wettbewerbswesens in Berlin beizutragen.