Termin
Freitag, 13. Mai 2022, 14.00 bis 17.00 Uhr
Unterrichtseinheiten: 1
Ort
Treffpunkt: Vor der Ruine der Franziskaner Klosterkirche, Klosterstraße 74 (U2)
Zielgruppe
Die Veranstaltungsreihe ist für Architektinnen und Architekten gedacht, die in Berlin noch nicht heimisch sind. Sie spricht aber auch alle an, die ihre Stadt neu sehen möchten.
Lernziel
Die Teilnehmenden lernen die komplexe Entwicklung Berlins und seine Architekturgeschichte kennen. Deshalb sind die Wege so gewählt, dass sie zum einen etwas über die jeweilige Kiezgeschichte im Zusammenhang mit Großberlin erfahren, zum anderen signifikante Beispiele aus jeder Stilepoche kennenlernen. Sie kommen auch in Berührung mit aktuellen Projekte und Problemzonen – Wunden und Visionen.
Inhalt
Eine Wanderung durch die Berliner Baugeschichte.
Drei der Wanderungen führen durch den etwas vage „Mitte“ genannten alten Kern der Stadt. Sie erläutern so die Entstehung Berlins und die frühen Erweiterungen, mit ihrem Schatz an mittelalterlicher, barocker und klassizistischer Architektur, dem Heilen der Kriegswunden und Nach-Wende-Highlights. „Mitte“ (1.) selbst stellt den Zusammenhang zwischen den Gründungsorten Berlin/Cölln und der „Friedrichstadt“ (2.) her, die in der zweiten Wanderung genauer unter die Lupe genommen wird. Die „nördlichen Vorstädte“ (3) haben von der Struktur her Bauten und die Stimmung Berlins vor den Gründerjahren bewahrt. Der Historismus selbst und die Industrialisierung sind im Wedding (4) präsent, das der Hobrecht-Plan von 1862 mit einbezog, während er das idyllische Reinickendorf „verschonte“. Dort war um 1930 noch Platz für eine der Weltkulturerbe-Siedlungen.
Es gibt zwei Städte, die die gesamte deutsche Baugeschichte repräsentieren, Berlin und Köln. Köln von der Antike bis zum Ende des Mittelalters und Berlin, das vielleicht von Kölnern mitbesiedelt wurde, von der Renaissance bis in die Gegenwart. Kein Wunder, dass die zwei bekanntesten Gebäude gerade in diesen beiden Städten stehen: der Kölner Dom – um die Zeit seiner Gründung 1248 wird Berlin gerade zum ersten Mal aktenkundig. Und das Brandenburger Tor, mit dem Berlin Avantgarde der Weltarchitektur ist. Diese Rolle besaß Köln im Mittelalter, unvergleichlich sind die romanischen Kirchen und im Dom kulminiert die Gotik. Ebenso unvergleichlich ist der Berliner Klassizismus. Und das Bauhaus als ein wesentlicher Teil der Moderne ist, kess gesagt, eine Berliner Erfindung. Köln ist monozentrisch, der Dom ist sichtbar die Mitte und auf einem Halbkreis, der „via sacra“, kann man Kölns Romanik erwandern. Berlin ist polyzentrisch, oder, um einen neuen Titel Bob Dylans abzuwandeln, „Berlin contains multitudes“. Jeder Bezirk ist sein eigener Kosmos, und alle glauben das auch von ihrem Kiez. Berlin kann man nicht erwandern, und die Bezirke sind Großstädte. Aber man kann ihre Eigenarten entdecken, ihre Bedeutung in der Stadtentwicklung, ihre Position zu Berlins Mitte, die Spuren von Schinkel und den Modernen, um so im Kleinen ein Bild des Gesamten zu erkennen – pars pro toto.
BERLINS LINKE MITTE, vom Nikolai-Viertel zum Frankfurter Tor
oder „Vom latenten Berliner Klassizismus“
Der zerstörte Kern Berlins ist zum 750. Gründungsjubiläum aus Rekonstruktionen, Versatzstücken und postmodernem Plattenbau neu erstanden, fragwürdig und rührend zugleich. Mittelpunkt ist der feldsteingrobe Turmsockel der Nikolaikirche, die älteste Architektur Berlins, um die Ecke trafen sich Lessing und Moses Mendelssohn. Nach der Enge ist die Weite des Marx-Engels-Forums befreiend und die an Hilberseimer erinnernden Hochhausscheiben geben Schloss, Marienkirche, Rotem Rathaus und Fernsehturm einen großstädtischen Rahmen. Peter Behrens hat Vergleichbares am Alexanderplatz versucht. Weiter kam man nicht, dafür soll er nun zu einer halbherzigen Stadtkrone werden, für die das „Haus des Lehrers“ Auftakt war. Selbstbewusster markieren am Frankfurter Tor (zu dem uns die U 5 bringen wird) die Zwillingstürme die Ostberliner Magistrale, die ehemalige Stalinallee. Ihre Architektur ist ganz dem Moskauer „Zuckerbäckerstil“ verpflichtet, bildet aber (anders als sein westlicher Antipode, das Hansa-Viertel) städtischen Raum, (weshalb es Aldo Rossi schätzte), besticht durch Materialbewusstsein und charmante Details. Das jüngere Filmtheater Kosmos durfte nun wieder „modern“ sein, aber nicht so spröde wie Scharouns Laubenganghäuser gegenüber, mit denen dort alles begann. „So solle man auf freiem Feld bauen“, polterte Ulbricht, „aber nicht mitten in der Stadt“ und befahl umzudenken. 1951 entstand das Hochhaus an der Weberwiese, und das ist nun wirklich dichter an Schinkel als alles andere zu der Zeit in Berlin.
Referentinnen und Referenten
Prof. em. Dipl.-Ing. Cord Machens, Architekt, Berlin