Termin
Samstag, 8. Oktober 2022, 14.00 bis 17.00 Uhr
Unterrichtseinheiten: 1
Treffpunkt
am „Beamtentor“ der AEG, Brunnenstraße 110 (U8 Voltastraße)
Zielgruppe
Die Veranstaltungsreihe ist für Architektinnen und Architekten gedacht, die in Berlin noch nicht heimisch sind, und für alle, die ihre Stadt neu sehen möchten.
Lernziel
Die Teilnehmenden lernen die komplexe Entwicklung Berlins und seine Architekturgeschichte kennen. Die Wege sind so gewählt, dass sie zum einen die jeweilige „Kiezgeschichte“ im Zusammenhang mit „Großberlin“ erhellen. Zum anderen werden signifikante Beispiele aus jeder Stilepoche berührt, erläutert und diskutiert, dazu aktuelle Projekte und Problemzonen – Wunden und Visionen.
Inhalt
Eine Wanderung durch die Berliner Baugeschichte
Es gibt zwei Städte, die die gesamte deutsche Baugeschichte allgemein repräsentieren: Berlin und Köln. Köln von der Antike bis zum Ende des Mittelalters und Berlin, das vielleicht von Köllnern mitbesiedelt worden war, von der Renaissance bis in die Gegenwart. Kein Wunder, dass die zwei bekanntesten Gebäude dort stehen: der Kölner Dom, um die Zeit seiner Gründung 1248 wird Berlin gerade zum ersten Mal aktenkundig, und das Brandenburger Tor, mit dem Berlin Avantgarde der Weltarchitektur ist. Diese Rolle besaß Köln im Mittelalter, unvergleichlich sind die romanischen Kirchen und im Dom kulminiert die Gotik. Ebenso unvergleichlich ist der Berliner Klassizismus und das „bauhaus“, ein wesentlicher Teil der Moderne, ist, kess gesagt, eine Berliner Erfindung. – Köln ist monozentrisch, der Dom ist sichtbar die Mitte und auf einem Halbkreis, der „via sacra“ , kann man Kölns Romanik erwandern.
Berlin ist polyzentrisch, oder, um einen neuen Titel Bob Dylans abzuwandeln, „Berlin contains multitudes“. Jeder Bezirk ist sein eigener Kosmos, und alle glauben das auch von ihrem Kiez.
Berlin kann man nicht erwandern, und die Bezirke sind Großstädte. Aber man kann ihre Eigenarten entdecken, ihre Bedeutung in der Stadtentwicklung, ihre Position zur „Mitte“, die Spuren von Schinkel und den Modernen, um so im Kleinen ein Bild des Gesamten zu erkennen – pars pro toto.
DIE NÖRDLICHEN VORSTÄDTE II, vom Wedding zur Weißen Stadt
oder "Industrie und sachliche Idylle"
Die von Schinkel und Beuth initiierte Berliner Industrie begann am Rande der Stadt, unweit der Invalidenstraße, dem sogenannten „Feuerland“ mit Borsig. Die Stadt wuchs, man zog raus, Borsig nach Tegel, Siemens nach Charlottenburg und die AEG nach Wedding. Dort, südlich am Humboldthain, an dem sich auch eine der „Notkirchen“ von Otto Bartning versteckt, hat Peter Behrens den Industriebau vom Historismus in die Moderne geführt, Kleinmotorenfabrik und Montagehalle. Fast alles steht noch, von J.P. Kleihues geschickt umrahmt.
Der Nucleus des Wedding aber ist der „Gesundbrunnen“, an dem 1701 eine Müllerin dem von der Jagd erschöpften Friedrich I. frisches Wasser reichte. Der Ort wurde beliebt, Ausflugslokale entstanden, man baute soviel, dass die Quelle versiegte. Heute ist der einst berüchtige „Rote Wedding“ ein quirliges multikulturelles Quartier, idyllisch an der Panke, mit alter Mühle und neuer Bibliothek, großstädtisch an der Badstraße, mit einer Schinkelkirche, prächtigem neugotischen Amtsgericht und einem Straßenbahndepot – langgestreckte, rauh-rote
Backstein-Moderne.
Zur anderen, der Bauhaus-Moderne, geht es mit der U 8 nach Reinickendorf in die Weiße Stadt, einer der konsequentesten Siedlungen des Neuen Bauens, als Martin Wagner Stadtbaurat war und in Planungsämtern entworfen wurde.
Nicht weit entfernt hat sich der Grundriss des Dorfangers erhalten, jetzt heterogen umbaut, aber die mittelalterliche Dorfkirche steht noch.
Referentinnen und Referenten
Prof. em. Dipl.-Ing. Cord Machens, Architekt, Berlin