Der „Gebäudetyp E“ (wie „einfach“ oder „experimentell“) ist eine Initiative der Architektenkammern mit dem Ziel, einen regulatorischen Befreiungsschlag für mehr Innovation zu wagen. Der neue Planungsansatz ist auch Teil des 14-Punkte-Plans des Bundeskanzlers im Rahmen des Bündnisses für bezahlbaren Wohnraum.
Der Begriff „Gebäudetyp E“ hat den (bau-)politischen Diskurs der Gegenwart entscheidend mitgeprägt. Das ist Segen und Fluch zugleich. Segen, weil er so eingängig ist, dass er sich in der (fach-) öffentlichen Debatte als Chiffre für einfaches und experimentelles, manche sagen auch enthusiastisches Planen und Bauen in einer erstaunlichen Geschwindigkeit durchsetzen konnte. Fluch, weil er - verständlicherweise - immer noch missverstanden wird. Denn er suggeriert einen bestimmten, fest umrissenen Gebäudetypus mit genau definierten Parametern. Die Idee ist hingegen eine andere: Es soll gerade weniger Vorgaben geben, wie geplant und gebaut werden muss. Stattdessen soll der Innovationskraft der Planenden im Interesse ihrer Bauherrinnen und Bauherren wieder mehr Spielraum gegeben werden, auf individuelle Gegebenheiten individuell zu reagieren. Der bestehende und sich immer weiter ausbreitende Wust von Normen, Richtlinien und weiteren Regeln schränkt dies hingegen von vornherein in einer Weise ein, die die Potenziale für neue Ideen, das heißt bestenfalls auch einfachere, kosten- und ressourcenschonendere Lösungen, im Keim erstickt. Dies gilt für den Neubau, insbesondere aber auch für das Bauen im Bestand, das ohnehin den absoluten Vorrang haben sollte.
Seit 30. Dezember 2023 ist das 6. Änderungsgesetz der Bauordnung in Berlin in Kraft. Es enthält nicht explizit den Begriff des Gebäudetyps E, allerdings eröffnet § 67 Abweichungen, Ausnahmen und Befreiungen für Vorhaben zur Erprobung neuer Bau- und Wohnformen durchaus die Umsetzung des Gebäudetyps E. Mindestens ebenso relevant wie die Bauordnung sind aber die zivilrechtlichen Fragestellungen. Im Moment hat sich die Diskussion insbesondere auf den Begriff der sogenannten allgemein anerkannten Regeln der Technik (aaRdT) verlagert. Ob ein Gebäude den aaRdT entspricht, wird aber nur im Falle einer Klage im Nachgang von Gerichten entschieden. Dies stellt Planende häufig vor ein Dilemma, weil sie die aaRdT im Vorfeld nicht vollständig kennen können.
Das Online-Fokusgespräch ist eine Kooperationsveranstaltung der Architektenkammer Berlin mit der Bundesarchitektenkammer. Es bietet den Rahmen für den Dialog zum Thema „Einfaches Bauen im Bestand und Neubau”. Ziel der Veranstaltung ist es, die Komplexität zu erfassen, verschiedene Fragestellungen aufzugreifen und mögliche Chancen, Risiken und Handlungsstrategien zu identifizieren. Die Auswirkungen für Planende und Bauaufsichtsbehörden werden diskutiert, insbesondere im Hinblick auf die neuen Abweichungsmöglichkeiten in der Berliner Bauordnung.
Veranstaltung
Datum: 18. September 2024
Programm: 16.00 - 19.00 Uhr
Eintritt frei, nach Anmeldung
Ort: Online
Fortbildungspunkte für drei Unterrichtseinheiten
Programm
Begrüßung: Wiebke Ahues, Mitglied des Vorstands der Architektenkammer Berlin
Vorträge:
Sachstand Gebäudetyp E – Was hat sich hier getan?
Sebastian von Oppen, Referatsleiter für Architektur und Bautechnik der Bundesarchitektenkammer
Wieso einfach, wenn es auch kompliziert geht?
Wiebke Ahues, Mitglied des Vorstands der Architektenkammer Berlin
Gebäudetyp E – „e“ wie „enttäuschend“?
Dr. Frank-Florian Seifert, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Verwaltungsrecht, Partner bei GSK Stockmann, Berlin
Gebäudetyp E und a.R.d.T.: bereits heutiger werkvertraglicher (Mindest-) Standard?
Prof. Matthias Zöller, Architekt, Sachverständiger für Schäden an Gebäuden, Neustadt Weinstraße
Die Rolle der allgemein anerkannten Regeln der Technik im Vertragshaftungs- und Versicherungsrecht
Richard Schwirtz, Rechtsanwalt (Syndikusrechtsanwalt), EUROMAF SA, Niederlassung für Deutschland
Einfach, experimentell und effizient bauen- Gebäudetyp-E
Holz, Ziegel, Lehm – Pilotprojekt in Alt-Britz
Ingo Malter, Geschäftsführer bei der STADT UND LAND Wohnbauten-Gesellschaft mbH in Berlin
Einfach Bauen. Sanierung der Otto Haesler Siedlung Blumläger Feld in Celle
Tobias Hübotter, Architekt und Stadtplaner, HÜBOTTER + STÜRKEN + DIMITROVA Architektur & Stadtplanung BDA Partnerschaftsgesellschaft MBB
Reallabor CRCLR-Haus
Christian Schöningh, Architekt, Die Zusammenarbeiter Gesellschaft von Architekten mbH
Podiumsdiskussion: Wiebke Ahues, Dr. Frank-Florian Seifert, Prof. Matthias Zöller, Richard Schwirtz, Ingo Malter, Tobias Hübotter, Christian Schöningh, Andrea Kufner und Thorsten Kopp
Moderation Impulsvorträge: Prof. Stine Kolbert, Mitglied des Ausschusses Gesetze, Normen und Verordnungen
Moderation Podiumsdiskussion: Sebastian von Oppen, Referatsleiter für Architektur und Bautechnik der Bundesarchitektenkammer
Der Einwahllink für die Teilnahme an der Veranstaltung wird am 17. September 2024 per E-Mail verschickt.