Nachhaltigkeit als Gemeinschaftswerk
Die Menge der Termine, bei denen ich unseren Berufsstand Woche um Woche vertrete, hat einen großen Vorteil: Sie führt mir laufend vor Augen, wie viele Aktivitäten zur Transformation unserer Gesellschaft schon laufen.
Ein Beispiel ist der Rat für Nachhaltige Entwicklung (RNE). Der unabhängige Beirat berät die Bundesregierung seit 2001. An welchen Themen sie arbeiten, bestimmen die 15 Fachleute selbst. Mit eigenen Projekten und Veranstaltungen treiben sie neben dem politischen auch den gesellschaftlichen Dialog voran. Zu seiner 21. Jahreskonferenz hatte der RNE im September ins bcc am Alexanderplatz geladen. Das Thema dieses Treffens könnte ein Motto für 2023 sein: „Nachhaltigkeit als Gemeinschaftswerk“.
Je massiver der Klimawandel zum Tragen kommt und je knapper die Zeit wird, gegenzusteuern, desto dringender brauchen wir das Zusammenwirken der Vielen. Wir müssen Kräfte bündeln. Für den RNE war das Anlass, auf der Konferenz die Plattform gemeinschaftswerk-nachhaltigkeit.de zu launchen. Ihr erstes Schwerpunktthema wird das nachhaltige Bauen und Wohnen sein.
Zur treibenden Kraft werden – und das gern forsch und frech
In den verschiedenen Gremien der Architektenkammer Berlin und der Bundesarchitektenkammer werden wir 2023 weiter intensiv an den Bauwendethemen zur Erreichung des 1,5-Grad-Ziels arbeiten. Neben Anpassungs- und Resilienzstrategien wird uns auch unser anderes Schwerpunktthema Diversität weiter beschäftigen, unter anderem auf dem Deutschen Architektentag in Berlin am 29. September 2023. Zwei sehr unterschiedliche Fokusaspekte unserer Wahlperiode, in ihrer Bedeutung aber ebenbürtig. Die Nachhaltigkeitsdiskussion, die gerade auf allen Ebenen läuft, hat jedoch eine viel breitere Dynamik. Wir können und müssen gerade jetzt überall die Stellschrauben neu justieren.
Uns kommt zugute, dass wir als Kammer der Hauptstadt bei vielen als etwas progressiver gelten. Dabei gewinnen wir an Gewicht, weil wir wachsen. Noch im Januar werden wir bei einem kleinen Empfang offiziell das 10.000ste Mitglied begrüßen. Das ist schon eine Zahl!
Die Menschen erwarten von uns zu Recht „action!“. Da können und sollten wir ruhig zur treibenden Kraft werden, mit Verve und gern auch einer Prise Berliner Frechheit.
Gemeinsam haben wir zurzeit viel Schwung!
Die vier Disziplinen Stadtplanung, Architektur, Innenarchitektur und Landschaftsarchitektur, die in dieser Kammer vertreten sind, zeigen, wie wirkungsvoll wir uns vernetzen können. Nicht nur untereinander, auch mit anderen Akteurinnen und Akteuren. Wir brauchen mehr und engere Allianzen mit anderen Berufsgruppen, mit Forschung und Wissenschaft und vor allem mit sozialen und umweltbewussten Bewegungen aus der aktiven Öffentlichkeit. In diesem Miteinander schlummern ungeheure Stärken, von denen wir unmittelbar profitieren.
Gemeinsam haben wir zurzeit richtig guten Schwung. BAK und etliche Länderkammern ziehen mit uns am selben Strang. Gemeinsam mit Ihnen blicken wir deshalb über Grenzen hinweg auf bundesweite Initiativen, die unsere Unterstützung verdienen. Ein Beispiel ist die länderübergreifende Projektgruppe, die gerade eine Muster(um)bauordnung für ganz Deutschland erarbeitet. Ein anderes liegt vor unserer Haustür: Die IBA Brandenburg-Berlin ist ein grenzüberschreitendes Gemeinschaftswerk, um die Hauptstadtregion klimaresilient zu gestalten und dabei (etwa in der Wohnungsfrage) so verschiedene Dinge wie die scheinbar abgehängten Gebiete im Flächenland Brandenburg, das Umland Berlins und die hochverdichtete Stadt zusammenzudenken.
Was 2023 auf der To-do-Liste steht
Nachhaltigkeit ist eine Aufgabe, in deren Lösung jede und jeder die eigenen Stärken einbringt. 2023 steht deshalb viel auf der Agenda: Wir wollen gegen den Instandhaltungsrückstau der öffentlichen Hand angehen. Der hat uns schon viel zu viel wertvolle Bausubstanz gekostet.
Wir wollen dem spekulativen Abriss Einhalt gebieten. Natürlich greift man da mit Verboten sehr leicht in Eigentumsrechte ein. Trotzdem unterstützen wir als Architektenkammer Berlin die Forderung nach einem bundesweiten Abrissmoratorium. Zumindest müssen wir das Abreißen viel, viel schwerer machen – zum Beispiel mit einer klugen umweltbewussten (Um)Bauordnung, wie wir sie in Berlin seit Monaten fordern. Und wir brauchen mehr Freiheiten für das Planen und Bauen. Der „Gebäudetyp E“ wie „einfach“ oder „experimentell“, ist da ein Kernanliegen.
Sie sehen, die spannenden Aufgaben werden uns 2023 nicht ausgehen. Was wir tun, hat Relevanz für unsere ganze Gesellschaft. Politisch, aber auch direkt und konkret. Das gilt umgekehrt genauso: Wie eng und wie offen wir mit anderen zusammenarbeiten, entscheidet darüber, wie gut es uns gelingen wird, ökologische, ökonomische und soziale Kriterien in Balance zu bringen. Genau das ist unsere Aufgabe: Nachhaltigkeit als Gemeinschaftswerk zu etablieren. Ich wünsche Ihnen Gesundheit, Kenntnisreichtum und eine glückliche Hand dafür!
Theresa Keilhacker, Präsidentin der Architktenkammer Berlin